TOP Magazin:
Um die Zahnmedizin ranken sich vielerlei Legenden. Eine davon ist die, arm zu werden, wenn man Zahnersatz benötigt. Eine berechtigte Angst, Herr Dr. Thomas?
Dr.Georg Thomas:
Eher eine Frage des Anspruchs und des zur Verfügung stehenden Budgets. Natürlich gibt es Zahnersatzlösungen, die mit immensen Kosten verbunden sind. Ihre Frage zielt aber wohl mehr auf den regelversicherten Patinten ab, der zum Beispiel eine Brücke oder eine Krone benötigt. Der muss sich in Deutschland 2006 nicht fürchten arm zu werden, weil er medizinisch und kosmetisch einwandfreien Zahnersatz braucht. Alle Patienten, auch gerade die regelversicherten, haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, gut kauen zu können und in keiner Weise entstellt zu sein.
TOP-Magazin:
Trotzdem munkelt man mancherorts angstvoll vom „Eigenanteil“ bis zur Höhe mehrerer Monatsgehälter –
Dr. Thomas:
Der Eigenanteil ist keine vermögensrelevante Einrichrung, sondern eine gesetzgeberische Konseqenz aus den 1970er Jahren. Das waren die fetten Jahre der Republik, wo an nichts gespart wurde. Zahnersatz war finanzpolitisch kein Thema, alle erhielten ihn ohne Zuzahlung. Mit der Folge, dass die Zahngesundheit den Leuten unwichtiger wurde. Drastisch ausgedrückt: Wozu die Zähne pflegen, wenn ich später zum Nulltarif „neue“ bekomme. Anfang der Achtziger führte man dann das bis heute bewährte Bonussystem ein. Maxime: Regelmäßiger Zahnarztbesuch entscheidet über die Höhe des Eigenanteils bei einer Zahnersatzbehandlung, bzw. darüber, ob überhaupt ein Eigenanteil fällig ist. Prämisse: Der Eigenanteil hat sich im sozialverträglichen Rahmen zu bewegen.
TOP-Magazin:
Unbenommen dieser Fakten gelang es erst jüngst einem neunen Teilnehmer auf dem Markt der Gesundheitsdienstleistungen mit dem Slogan „Zahnersatz zum Nulltarif“ als Fielmann der Zahngesundheit zu punkten. Warum rüttelt diese Parole so auf, Herr Janssen?
Reinhard Janssen:
Weil sie vordergründig spektakulär ist. Sie spielt genau mit dem psychologischen Moment, dass Sie eingangs erwähnten – mit der Legendenbildung. In der Regel wird Zahnersatz ein Thema, wenn der Mensch in sein viertes Lebensjahrzehnt kommt. Vorher setzt er sich meist nicht sehr aktiv damit auseinander. Bekommt aber über die Medien eine Menge Halbwissen mit. Wenn man jedoch gewzungen ist, sich damit zu beschäftigen, gibt es oft eine überraschende Wendung in der Betrachtung. Man erkennt, dass Zahnersatz kein einfaches Ersatzteil ist, sondern eine kunstvoll ein- und anzupassende medizinische Prothese. Da sieht man dann auch bei eingeschränktem Budget zurecht mit Skepsis auf Anbieter, die mit der Formel „zum Nulltarif“ werben. Ich mache diese Erfahrung seit langen Jahren: Zahnersatz wird als etwas sehr wertiges betrachtet. Die Menschen sind deshalb bereit alles, was nur eben geht, in Qualität zu investieren.
Dr. Thomas:
Die Formel „zum Nulltarif“ als Neuheit anzupreisen ist doch darüber hinaus simple Blenderei. Das gibt es doch schon seit Jahrzehnten in jeder Zahnarztpraxis, ein gut geführtes Bonusheft oder eine Befreiung von der Zuzahlungspflicht aus sozialen Gründen vorausgestzt. Ich gebe Herrn Janssen jedoch völlig recht. Danach fragt meist niemand. Die meisten Menschen möchten etwas, das über das - wie schon erwähnt grundsätzlich einwandfreien – Standard der Kassenleistung hinausgeht.
Janssen:
Die Gründe dafür liegen doch auch klar auf der Hand. Es geht um die Gesundheit, da kann man die „Geiz ist geil“-Mentalität, die ja glücklicherweise ohnehin gerade abtaut, hinreichen ....
|